L´Arrivée
Weiße Leinwand. Tabula rasa. Panavision. L’Arrivée strahlt einen an wie das reine Licht der Projektion, wie das Weiß der Fläche, die auf die Inskription des Filmemachers wartet. Peter Tscherkassky geht in L’Arrivée zurück an den Start, zurück zu lumière und den Lumières, die aus der Ankunft eines Zuges auch einst einen Film gemacht haben. Dann setzt die Verschmutzung ein, die "Story", wenn man will: Es rauscht in der Tonspur, es kracht, knistert, dröhnt. Von rechts nähert sich ein Grauschleier, die Perforation eines Filmstreifens. L’Arrivée macht Kino aus Fehlleistungen, aus Entgleisungen: Halbe Bilder - die Nebelbilder einer grauen Delegation auf irgendeinem Bahnhof - dringen in die weiße Fläche ein, laufen von rechts und links zusammen, krachen aneinander, streben wieder auseinander. Das Ursprungsmaterial stammt aus Mayerling, 1968, einem Habsburg-Melodram des Briten Terence Young. Die Farbe der Firma Eastman, die hier einmal war, hat der Filmemacher exorziert. Tscherkassky betreibt drastische Re-Lektüre in CinemaScope: Ein Zug fährt ein, kollidiert mit seiner Spiegelung. Die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen: Tscherkassky hysterisiert die Bilder, läßt sie aus ihrer Sicherheit kippen, kreuzt Tonspuren und Perforationsbahnen, wendet Positives ins Negative, schlitzt sein Material auf, inside out und upside down. Phantombilder: Hinter dem Schleier eines noch immer amoklaufenden Filmstreifens, wie angeschlagen von der Panik der kollabierenden Kinomaschine, taumelt ein Filmstar in den letzten Kuß - Catherine Deneuve steigt aus, ein Mann (Omar Sharif, das klingt wie: j´arrive) eilt auf sie zu, ein Kuß, ein Glück, ein Ende. L’Arrivée ist die Anbahnung eines Films, das mit Lust am Desaster instrumentierte Melodram der verschobenen Schauwerte. (Stefan Grissemann) film online sehen @ MUBI.com