Fast Film
Ein Kuß, ein glückliches Paar. Doch plötzlich wird die Frau gekidnappt. Der Mann bricht auf zu ihrer Errettung. Ein Befreiungsdrama voll wilder Verfolgungsjagden setzt an. Es wird uns in das Innere der Erde und in die Zentrale des Bösen führen.
Vordergründig erzählt Fast Film eine einfache Geschichte. Der Haken an der Sache: Sämtliche seiner Szenen entstammen 300 verschiedenen Werken der Filmgeschichte, und entsprechend oft wechselt die Identität seiner Helden. Doch wie schon bei Virgil Widrichs Copy Shop (2001) ist es eine wahrlich aussergewöhnliche Herstellungstechnik, die an Fast Film als erstes verblüfft. Dessen Basis bilden nicht weniger als 65.000 Papierausdrucke der einzelnen Bilder seiner Ausgangssequenzen. Diese Paperprints wurden zu abertausenden Objekten gefaltet, wie etwa Eisenbahnwagons oder Flugzeugen, diese sodann zu komplexen Tableaus arrangiert, welche wiederum mittels eines simplen Digitalfotoapparats Bild für Bild aufgenommen und in den Computer transferiert wurden. Jeder einzelne Kader von Fast Film zeigt zumindest drei Bilder: den Hintergrund, das Vordergrundbild, sowie den Grenzbereich dazwischen. In einzelnen Passagen steigert sich das bis zu 30 Bildebenen. Die furiose Geschichte von Fast Film spielt sich nun auf den Oberflächen der Papierobjekte ab. Die Winkelzüge innerhalb des Geschehens sind dermaßen ausgefeilt, dass sich bei jedem Wiedersehen neue Details entdecken lassen. Was als Hommage an das Actionkino geplant war, erschließt in seiner Dichte dem Genre nun selbst neues Terrain. 14 Minuten währt diese tour de force quer durch die Filmgeschichte, von ihren stummen Anfängen bis zum Hollywoodkino der Gegenwart: ein Fast Film, wie er rasender kaum hätte geraten können. (Peter Tscherkassky)
--> www.widrichfilm.com/fastfilm
Eine Trägerrakete für den Spielfilmzug (Kritik)
Widrichs jüngste, vierzehnminütige Arbeit hatte im Mai beim Filmfestival in Cannes Premiere. Seither wurde sie unter anderem auf Festivals nach Karlovy Vary und Hamburg eingeladen und in Toronto gleich als "Best Animated Short" ausgezeichnet.
Die rasante "Verfolgungsjagd durch Verfolgungsjagden", in der Entführungen stattfinden oder wilde Fluchten in Papierflugzeugen, entstand in zweieinhalbjähriger Kleinarbeit: Widrich und sein Team sichteten rund 2000 Spielfilmklassiker, wählten Einzelbilder aus und fertigten daraus 65.000 Papierobjekte, die nun, in Animation, die Actionfilmerzählung tragen.
Im Unterschied zu anderen Found-Footage-Filmen - Arbeiten also, die bereits belichtetes Filmmaterial verwenden - ist Fast Film weniger mit der Dekonstruktion des Mainstreamkinos beschäftigt. Das Interesse gilt mehr der Oberfläche, die das Verfahren gleichsam aufraut, knittrig und anfällig für Bruchstellen macht.
Gängige Stereotypen und Erzählschemata wirken in der Anhäufung eher affirmativ - und ermüdend. Fast Film zeigt eine Starparade aktiver Männer und hilfloser Scream- Queens, die Auswahl scheint etwas beliebig. So wirkt es z.B. befremdlich, dass ausgerechnet Frankensteins trauriges Monster zum Bösewicht avanciert. Zu den schönsten Szenen gehört jene, in der eine rotierende Scheibe verschiedene Köpfe auf einen festgesetzten Korpus fügt, Austauschbarkeit sichtbar wird.
(Isabella Reicher, 3.7.2003, Der Standard)
Fast Film
2003
Österreich, Luxembourg
14 min