blinq
Zwischen Bild und Ton herrsche so Michel Chion im Kino und in verwandten audiovisuellen Formen im wesentlichen ein vertikales Beziehungsverhältnis, wobei die Tonebene gegenüber der Bildebene zumeist nur eine sekundäre Funktion einzunehmen scheint. Das gelte in gleichem Maße allerdings bei umgekehrten Vor-zeichen auch für Musikvideos, wo ja letztlich bei aller Freiheit der Bilder die musikalische Struktur den Rhythmus der Bewegungen und des Schnitts bestimmt. In blinq werden solche Bild/Ton-Synchronitäten radikal hinterfragt. Billy Roisz ließ von 10 MusikerInnen aus Österreich, Deutschland und Japan kurze elektronische Soundfiles produzieren, um dann diese oft nur wenige Sekunden dauernden Tonfragmente über Feedback-Schleifen als elektro-akustische Impulse in visuelle Muster zu verwandeln und weiter zu manipulieren. Die so entstandenen Bilder, die jedes für sich einem klaren, reduzierten visuellen Konzept folgen, trennt Roisz dann aber wieder zeitlich von der ursprünglichen Tonspur und lässt nun alternierend jeweils zuerst das schwarze Bild ertönen und danach die entsprechenden visuellen Miniaturen tonlos über den Bildschirm oder die Leinwand flimmern. Anfangs geben die bisweilen an mikrobiologische Makroaufnahmen erinnernden Bildmuster die musikalischen Strukturen oder Bestandteile des eben gehörten noch zu erkennen (etwa rot pulsierende Säulen nach entsprechenden Ton-Frequenzen im Musikfragment davor). Zunehmend scheinen sich diese Zuordnungen allerdings umzukehren und die Bilder plötzlich die nachfolgende Musik hervor-zubringen. blinq eröffnet derart neben seinen ästhetischen Qualitäten das Vergnügen eines äusserst gelungenen Wahrnehmungsexperiments mit Nach-Klängen und Vor-Bildern. (Gerald Weber)