Shapes

Zu J.S. Bachs rasanten Cembaloläufen tanzen in Shapes die menschlichen Formen. Doch die animierten Schablonenspritzbilder von vollschlanken Diskuswerfern und sehnigen Mädchen verwirren schnell unseren kulturell konditionierten Blick: Was ist männlich, was weiblich? Die Musik gewinnt an Tempo. Im Tanz, einer Mikro-Evolution im Schnelldurchlauf, werden die Bewegungen zusehends lustvoller, die Körper üppiger. Weiblicher möchten man meinen, aber wer kann das hier noch sagen?

(Maya McKechneay)


In Shapes lässt Lassnig in Schablonenspritztechnik menschliche Torsos – Körper ohne Köpfe – vor der Kamera posieren: Jubilierende Barockmusik stellt im Hintergrund die Forderung nach „Hochkultur“, und zunächst nehmen die Figuren auch brav die Haltungen antiker
Heldenstandbilder ein: Diskuswerfer, Speerwerfer, das Ideal des unbekleideten Olympioniken. Doch unter die männlichen Umrisse mischen sich weibliche, und lassen sich gleiches Posieren nicht verwehren. Nach einem kurzen Realfilm-Interludium mit animierten Plastiken finden schließlich, in einem ironischen Happy-End, männlicher und weiblicher Körper, der eine am vorgereckten Glied, die andere am präsentierten Apfel zu erkennen, in der nach wie vor kopflosen Verschmelzung zueinander. Dass sich Lassnig intensiv mit den Sujets der Kunstgeschichte, und insbesondere deren geschlechtsspezifischer Ikonographie, auseinander gesetzt hat, sieht man an Gemälden wie „Atlas“ (1985), in dem der Körper einer Frau (statt dem des Titanen aus der griechischen Mythologie) ein Gebirge auf den Schultern trägt oder dem Bild-im-Bild-Gemälde „Patriarchat“ (1986), in dem sich ein männlicher Körper breitmäulig und muskelprotzend auf einer Leinwand präsentiert, während sich sein symbolisches Attribut, die weise Eule, im Hintergrund schamhaft abwendet. Lassnig selbst steht ihrer Kategorisierung als feministische Künstlerin – wie jeder Einordnung – mit augenzwinkernder Skepsis gegenüber. „Meine Kunst ist nicht geschlechterspezifisch. Mit dem Begriff „weiblicher Kunst“ kann ich gar nichts anfangen. In meinen Filmen habe ich mich durchaus feministisch ausgetobt, nie aber in der Malerei.“ In ihren Filmen, so Lassnig in einem Interview, habe es ihr Freude gemacht „einfache, lang
aufgestaute Wahrheiten herauszuposaunen“.

(Maya McKechneay, In: Diagonale Katalog, 2016)


Menschliche Silhouetten (ausgeschnittene und gespritzte Zeichnungen) bewegen sich nach Barockmusik (Johann Sebastian Bach).

(Maria Lassnig)

Orig. Titel
Shapes
Jahr
1972
Länder
Österreich, USA
Länge
9 min
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Shapes (Bild)
© Maria Lassnig Stiftung / Courtesy sixpackfilm
Shapes (Bild)
© Maria Lassnig Stiftung / Courtesy sixpackfilm
Shapes (Bild)
© Maria Lassnig Stiftung / Courtesy sixpackfilm
Credits
Regie
Maria Lassnig
Musik
Johann Sebastian Bach
Verfügbare Formate
16 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Mono
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Tonformat
Stereo
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)