Aus der Zeit
In Europa verschwinden immer mehr alte Geschäfte, die in einer modernen Shopping-Kultur, in der Geiz als geil verkauft wird, keinen Platz haben. Aus der Zeit handelt von vier solchen Geschäften und den Menschen, die sie betreiben. Von der Beziehung zu alten Gemäuern, von Erinnerungen und Sehnsüchten, von Einsamkeit, Liebe und Verzweiflung.
Aus der Zeit zeigt Menschen in ihren "Rollen", in ihrem Umgang mit Räumen und Dingen, den Kundschaften, mit sich selbst und miteinander. Die Kamera verfährt wie eine stille Beobachterin, die dem Treiben im Laden, dem Stillstand, den Stelbstgesprächen und Dialogen zusieht und zuhört. Jeder Kunde, jede Kundin ist etwas ganz Besonderes und wird auch so behandelt.
(Harald Friedl)
"Die heutige Welt im Kleinformat, ein Dokumentarfilm zwischen Zeitinsel, Hoffnungsoase und sinkendem Schiff. Großartig!"
(Barbara Wurm für den Katalog des Filmfestivals Leipzig)
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Die Veteranen sind müde Isabella Reicher in Der Standard (Kritik)
Die Knopfkönigin wandert in ihrem Geschäft im Kreise und hadert mit ihrem Schicksal. Kaum Kunden, der Ehemann, dessentwegen es sie einst in den Laden verschlug, ist wegen Krankheit aus dem Berufsleben ausgeschieden. "Nicht mehr in dieses Geschäft gehen müssen" - das ist ihr größter Wunsch, und manchmal werden Wünsche auch erfüllt.
Die Knopfkönigin ist eine Filmfigur vom Zuschnitt einer Fassbinder-Heldin. Nur hat sie kein Regisseur, sondern das Leben geformt: In Harald Friedls Dokumentarfilm "Aus der Zeit" ist ihr Geschäft eines von vier ehemals florierenden Einzelhandelsunternehmen, deren Inhaber die Kamera beobachtet. Das Ehepaar Jentsch gehört auch dazu.
Sie fühle sich, sagt die alte Frau des Lederwarenhändlers, wie ein Soldat an einer Front, von der es keine Ablöse gibt. Wie viele andere Sätze in diesem behutsamen, diskreten Film fällt auch dieser ganz beiläufig. Die kleinen, mehr oder weniger entrückten Welten, die das Filmteam mitten in Wien entdeckt hat, lassen sich durch dessen Anwesenheit offenbar kaum irritieren. Die Personen gehen ihrer Arbeit nach, und diese Arbeit hat sie auch geprägt.
Scheinbar umstandslos fällt der alte Drogist in freundlichen Smalltalk, wenn eine Kundin den Laden betritt. Unmittelbar vorher hat ihn die Erinnerung an bessere Tage noch zu Tränen gerührt. Beobachtungen wie diese prägen den Film ebenso wie der langsame Rhythmus von routinierten Verrichtungen und Leerläufen. Am Ende haben einige - darunter auch das Fleischerehepaar Fritz - ihre Arbeit für immer eingestellt. Für die Tragödin aus dem Knopffachgeschäft ist dies ein Happyend.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2006)
AUS DER ZEIT - Diagonale Katalog 2006
Anna Katharina Laggner auf Radio FM4 / Österreich (Kritik)
Harald Friedl porträtiert in 'Aus der Zeit' vier alteingesessene Betriebe kurz vor ihrer Schließung - den Knopfkönig, eine Fleischerei, eine Drogerie, ein Lederwarengeschäft. 'Aus der Zeit' fängt ein, was aus unserer Kultur verschwindet, ohne dabei in nostalgisches Wehmutsgesülze über die gute, alte Zeit zu verfallen. 'Aus der Zeit' verzaubert, lächelnd sitzt man im Kino, die eine oder andre Träne rinnt übers Gesicht.
Aus der Zeit
2006
Österreich
80 min