Tetescha Us - She is crossing Borders
Der Trickfilm Tetescha us - She is crossing borders geht von einer zweifachen Aporie aus: von der Uneinlösbarkeit neutraler Bilder des Nahostkonflikts und der Unmöglichkeit, diesen als intakte inhaltliche Erzählung zu repräsentieren. Ausgangspunkt ist ein Comic-Workshop, den Filmemacherin Stefanie Wuschitz im palästinensischen Flüchtlingslager Beddawi im Nordlibanon organisiert. 11- bis 13jährige palästinensische Mädchen zeichnen hier Wunschbilder einer anderen Realität. Lassen Fisch und Schmetterling, Meermann und Meerfrau heiraten. Die Zeichnungen zeugen von Erfahrungen gesellschaftlicher Ausschlüsse durch die strikte ethnische und konfessionelle Fragmentierung des Libanon. Stereotype Darstellungen von Flüchtlingen und Camps vermeidet Wuschitz, indem sie Protagonisten und Settings ihrer Videoaufnahmen mit wenigen Strichen vor weißem Hintergrund nachzeichnet und anschließend mit Tonaufnahmen und Text-Inserts unterlegt. Der so erreichte Grad an Abstraktion hebelt Rezeptionsmuster aus und etabliert spielerisch neue symbolische Bedeutungsgeflechte. Aus feinen schwarzen Linien boomen sekundenweise Hochhäuser des Nachkriegs-Beirut, um sich kurz darauf zu Partyszenen zu formen. Politische Kontrahenten tragen ihre Gefechte nunmehr über Fernsehschirme aus. Flüchtige Tableaus, Töne und losgelöste Statements schwellen an, überlagern sich. Die Stimmen der Flüchtlinge aus Beddawi verklingen in diesem neuen Libanon an einer unsichtbaren Schallgrenze. 400.000 warten seit der Staatsgründung Israels 1948 auf eine Rückkehr.
Eine NGO-Mitarbeiterin sagt, Mädchen werden nun wieder ganz jung verheiratet. Neo-patriarchale Ordnungen als Zeichen schwindender Hoffnung?
Am Ende lässt Wuschitz die Bilder nicht bröckeln, stattdessen wachsen Menschen über sich hinaus. Sie besteigen Häuser wie Felsen und haben sich analog zur Textzeile – "Marry or jump?" – bereits entschieden.
(Gunnar Landsgesell)
Tetescha Us - She is crossing Borders
2006
Österreich, Libanon
9 min