Helen A/B + das Meer

Nach Gras A/B eine weitere Untersuchung Sabine Martes zur Bedeutungskonstruktion, wobei sie sich im Video Helen A/B + das Meer den Genrekonventionen und -Klischees der Romanze widmet. Zu Beginn zeigt das vom Monitor abgefilmte Bild zwei Menschen am Strand, die abwechselnd auf den Horizont deuten. Eine Stimme aus dem Off (Marte selbst) zweifelt flüsternd an der Echtheit des Szenarios und beschwört die Zweidimensionalität des Abgebildeten. Eine Möwe setzt zum Flug durch das Bild an, während die Stimme röchelt und abstirbt. Zweidimensionalität, Dualität, (Paar-)Beziehungen zwischen Körper und Stimme, Bild und Ton unterliegen einer permanenten Verfremdung, Verschiebung, Abstoßung und Anziehung. Filmische Konventionen, wie Schuss-Gegenschuss eines Frauen- und eines Männergesichts in der nächsten Szene, offenbaren in der (über die Maus händisch gesteuerten) Wiederholung und Verlangsamung ihre Formelhaftigkeit.
Ein Filmscore, der den abermaligen Versuch der Möwe, durchs Bild zu fliegen, begleitet und romantische Erwartungen weckt, kippt so ins Unheimliche.

Wieder beobachten wir das Paar: Von Klaviermusik begleitet, bekennt eine Frauenstimme (der Synchronton stammt aus Antonionis Identificazione di una donna, 1983) aus dem Off: "Du bist meine Liebe", die männliche Stimme antwortet: "Sag es noch mal".
In die fortlaufende Wiederholung mischen sich Irritationen, Schläge oder ein Aufschrei, während die Gesichter Langeweile, Amüsement und Skepsis offenbaren, ob dem, was hier (außerhalb des Bildes, auf der Tonspur) passiert oder ob ihrer Funktion als still gestellte AkteurInnen.
Auch hier wird die Konstruktion eines Versprechens entlarvt, der Subtext abermals auf die Ebene des Performativen verschoben. Wo er in der Schlussszene seine Entsprechung findet: Zwei Männer verbinden sich in einer tanzähnlichen Bewegung, die auf Aktion/Reaktion, Druck/Gegendruck, Nähe und Distanz beruht. Die Räudigkeit und stete Verlangsamung des Bildes wird durch Tempo, Rückkopplungen und Verzerrungen der Interpretation des Spirituals "Oh, When The Saints" durch Martes Band "Pendler" verstärkt. Szene wie Song brechen schließlich vor dem endgültigen Stillstand ab. So kann es endlos weitergehen ...

(Claudia Slanar)

Orig. Titel
Helen A/B + das Meer
Jahr
2006
Land
Österreich
Länge
12 min
Regie
Sabine Marte
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Deutsch
Credits
Regie
Sabine Marte
Konzept & Realisation
Sabine Marte
Musik
Pendler
Postproduktion
Oliver Stotz
Darsteller*in
Andrew Michie, Barbara Stieff
Verfügbare Formate
Betacam SP (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Festivals (Auswahl)
2006
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
2007
Osnabrück - EMAF - European Media Art Festival
Kassel - Dokumentarfilm- & Videofest
Hamburg - Int. Kurzfilm-Festival & No Budget
2008
Lyon - Les Inattendus Film and Video Festival
Berlin - Transmediale (Festival for digital art)
Leeds - Int. FilmFestival