A prima vista
Ein kleiner Bub stapft, mit einem Kofferl und in kurzen Hosen, eine regennasse Straße entlang. "Punta Verde" steht auf dem Wegweiser auf der anderen Seite, aber so wenig der Kleine die Buchstaben entziffern kann, so wenig benötigen die Zuschauer sie auch zu ihrer Orientierung. Man weiß ganz einfach: Italien, Urlaub, Familie, Glück.
A Prima Vista ist ein Versuch über die Unschuld des Blicks, jenes "erste" In-die-Welt-Schauen, wie es nur Kleinkinder und große Filmemacher draufhaben. Ganz ungeniert, mit der Neugierde desjenigen, der keiner vorher festgelegten Absicht folgt, sondern auf das sich einlässt, was er zu sehen, zu hören, zu schmecken bekommt. Ein Eis. Sand am Meer. Noch mehr Eis. Ein vorbeilaufender Hund löst Begeisterung aus.
Bisher unveröffentlichtes Material, das Michael Pilz über einen Zeitraum von gut vier Jahrzehnten aufgenommen hat, speist diesen Film. Italien – Wurstelprater – Bauernhof – Shintofest: Und dazwischen, wie musikalische Satzzeichen gesetzt, Selbstporträts und Porträts befreundeter Menschen. Film ist Rhythmus, intuitive Komposition. Largo, Allegro, danach Wechsel kurzer Auf- und Abblenden, in der Kamera gemacht.
Herzstück des Films: Die rasante Prater-Sequenz, gedreht in Schwarzweiß eines Sonntags zu Beginn oder Schluss der Saison anno 1964. Man sieht Halbstarke mit Krawatte auf der Suche nach Vergnügungen; das Autodrom, die Rollschuhbahn, den Watschenmann; schicke Röhrlhosen mit Bundfalten; gewagte Frisuren, beachtliche Hüte. Aus einem Lokal wankt ein Betrunkener. Frau Wirtin geht hinterm Eingang in Stellung; die Menge gafft, ein kleines Mädchen sucht Deckung bei seinen Eltern.
Dieser Praterfilm, sagt Pilz, war einer seiner ersten Filme überhaupt. Mit ihm taucht A Prima Vista für zwölf Minuten ab in eine längst vergangene Zeit, die "Kindheit" eines Filmemachers-in-Progress. (Michael Omasta)
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A prima vista
2008
Österreich
91 min