DRAUF

Zu Beginn haben die Bilder keinen festen Grund unter den Füßen: Ein bewölkter Himmel flackert, schwankt, verschwimmt, dann erst senkt sich die Kamera in einer gleichmäßigen Bewegung hinab auf den Boden des Faktischen. "Weißt eh, so eine Dokumentation über drogenabhängige Jugendliche, Subventionsfilm", erklärt Regisseur Martin Musič dem jungen Mann vor seinem Kameraobjektiv die Aufgabenstellung: Harald, 24, suchtkrank und nunmehr Teilnehmer eines Substitutionsprogramms, soll seine Erfahrungen anderen Jugendlichen "mitgeben".
Diese Herstellung eines dokumentarischen Exempels wird in Drauf mehrfach verkompliziert: Erstens ist Harald kein authentischer Zeuge, sondern ein fiktionales Kondensat aus den Interview-Erzählungen mehrerer drogenabhängiger Jugendlicher, dem Künstler Ingo Leindecker Körper (schlaksig) und Stimme (schleppend) leiht. Und zweitens macht der Film den Prozess transparent, durch den aus disparaten Erinnerungen, Haltungen und Gefühlslagen eine soziale "Fallgeschichte" immer erst hergestellt werden muss: Das Stationendrama einer Abhängigkeit - Probleme mit dem Vater, Frust im Lehrberuf, Party-Wochenenden mit der Clique als Rettungsanker - nimmt nur allmählich Gestalt an, im Hin und Her zwischen Haralds grummelnden, tastenden Selbsterklärungen und den Interpretationsangeboten, die Musič in einfühlendem bis verkrampftem Sozialarbeiterduktus vorbringt. Das Interviewszenario - ein Nachmittag zu zweit auf einem Tretboot auf der Steyr - weist in Richtung Kammerspiel, die Scope-Bilder und satten Farbwerte drängen in die Weite. Drei Intermezzi brechen den fingierten Dokumentarismus weiter auf, schlagen alternative filmische Übersetzung vor für das, was sich im Gespräch nicht so ohne Weiteres benennen lässt: Die erste, flamboyanteste dieser Sequenzen folgt Harald in ein Möbelhaus, wo er bitter den Showmaster einer Werbesendung gibt, der kleinbürgerliches design for living anpreist. So wird Musičs "Subventionsfilm" - in Auftrag gegeben von der Projektgruppe "flow akut", die sich mit Sucht und Suchtprävention im Raum Steyr auseinandersetzt - gerade im Spielerischen seinem Thema gerecht.

(Joachim Schätz)

Weitere Texte

"Drauf" zeigt was Drogenabhängige denken und wie sie sich fühlen (Artikel)

Martin Dunst, In: nachrichten.at, 19. September 2008


Streetworker, die Steyrer Produktionsschule und das Suchtberatungszentrum „X-Dream“ sind Mitglieder von „Flow akut“ und haben dieses Projekt in Auftrag gegeben und begleitet. „Flow“ beschäftigt sich seit dem Jahr 2006 mit Sucht und Suchtvorbeugung. Neben Hilfsmaßnahmen und Kontakten zu Betroffenen versuchen die handelnden Personen auch Außenstehenden einen Einblick in die Welt von Suchtmittel-Abhängigen zu gewähren. Die Stadtpolitik unterstützt „Flow“, die OÖN sind als Medienpartner dabei.

„Vierzig-Minuten-Destillat“

„Die Frage die wir uns bei unserer Arbeit und speziell bei diesem Film stellen müssen lautet, wie bindet man die Betroffenen ein?“, sagt Wolfgang Klima, Leiter des Suchtberatungszentrums „X-Dream“. Er und seine Kollegen wollen vermeiden, als Experten von oben herab vorzugeben, wie die Wirklichkeit aussieht.

Im Film kommen Betroffene selbst zu Wort, Regisseur Martin Music hat stundenlang Gespräche mit Suchtgift-Konsumenten aus der Region Steyr geführt, die sich freiwillig für das Projekt gemeldet hatten. Music schnitt aus dem Rohmaterial ein sehr realitätsnahes, vierzigminütiges Destillat zusammen. Im Mittelpunkt von „Drauf““ steht ein Jugendlicher namens Bingo, der während einer Bootsfahrt auf der Steyr mit einem Kameramann über seine Drogenerfahrungen spricht.

In drei Episoden gibt Bingo intensiven Einblick in die Begleitumstände und Gefühle seiner Drogensucht. „Junge Menschen in einer ähnlichen Situation, sollen sich in mancher Aussage oder Szene wieder finden und über ihre Lebenslage nachdenken“, sagt Klima zum Zweck von „Drauf“. Als flächendeckende Präventionsmaßnahme etwa an Schulen ist der „Flow-akut“-Film allerdings nicht gedacht. Laut Klima wird es „Drauf“ für Interessierte auf DVD zum Selbstkostenpreis im Jugendkulturhaus und später bei „X-Dream“, oder den Steyrer Streetworkern geben.

DRAUF

Pädagogische Anleitung, Filmarbeitsgruppe flow akut, 2. Auflage, November 2008


Der Film „DRAUF“ zeigt die Lebenswelt eines jungen Drogenkonsumenten, dargestellt durch einen Schauspieler, und basiert auf einem authentischen
Erfahrungsbericht. Dieser zeigt die Erlebnisse und die Empfindungen im Zuge des Drogenkonsums. Im Mittelpunkt des Films steht ein junger Erwachsener, der während einer Bootsfahrt mit einem Kameramann über seine Drogenerfahrungen spricht. Im Zuge von drei Episoden gibt er einen Einblick in die Begleitumstände und Gefühle seiner Drogensucht. Der Film soll Betroffenen die Möglichkeit geben, ihre Erlebnisse zu überdenken und sich mit ihrem eigenen Handeln auseinander zu setzen. Dies soll ein Anstoß zur Reflexion der eigenen Einstellung und der eigenen Verhaltensweisen sein, um damit sein eigenes Suchtverhalten zu reflektieren. Der Film richtet sich an Personen bei denen ein Suchtproblem ansatzweise existiert, aber noch nicht ausgeprägt ist. Weiters richtet sich der Film auch an Personen, bei denen ein Suchtproblem bereits voll aufgetreten ist bzw. auch an Personen, die ein Suchtproblem bereits überwunden oder sich stabilisiert haben, mit dem Ziel Rückfälle zu vermeiden oder zu bearbeiten.
Darüber hinaus wird anderen Menschen ein Einblick in die Lebenswelt eines Drogenkonsumenten gegeben.
Der Film soll einen Impuls für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Thema Sucht geben. Das pädagogisch-didaktische Ziel ist es, ein
Problembewusstsein zu schaffen ohne mit einem „erhobenen Zeigefinger“ zu agieren.

Dieser Film dient nicht der Primärprävention!
Orig. Titel
DRAUF
Jahr
2009
Land
Österreich
Länge
43 min
Kategorie
Fiktion
Orig. Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Downloads
Drauf (Text)
DRAUF (Bild)
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Credits
Regie
Martin Musič
Konzept & Realisation
Martin Musič
Drehbuch
Martin Musič
Ton
Martin Musič
Darsteller*in
Ingo Leindecker, Didi Bruckmayr
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264)
Festivals (Auswahl)
2009
Linz - Crossing Europe Film Festival