Machination 84
Hätte Viking Eggeling die Zeit gehabt, seinen berühmten "Diagonalsymphonie"-Film 85 Jahre nach seiner Premiere in High Definition und im 16:9-Format neu einzuspielen, das Ergebnis könnte ein wenig so aussehen wie Machination 84: Die Arbeit zeigt einen sich verdichtenden Wald aus (erst noch) vertikal flackernden Wellenlinien, aus stilisierten Rauchschwaden, die einander im Takt der evokativen Musik überlagern und komplizieren. Die Bilder sind live eingespielt, also in Realzeit zur Musik erstellt und nicht nachbearbeitet: ein Film ohne Schnitt, ein kontinuierlicher Fluss der abstrakten Mutationen, eine Art digitaler Kupferstich. Die fragile visuelle Textur, zunächst nur in Grau, Weiß und Schwarz präsent, lodert bald auch in zarten, später intensiveren Farbtönen, während der synthetische Soundtrack von @C - ein filigranes Gewebe aus Pochen, Klicken und Klingeln - eine zunehmend ominöse Geräuschatmosphäre zeichnet.
Die im Titel festgeschriebene Intrige, die "Machenschaft" dieser Produktion kann nur auf das illusionäre Spiel mit der Bildtiefe und dem (andeutungsweise) Figurativen verweisen: Einzelne "Flammen" scheinen in den Bildvordergrund, nah ans Auge des Betrachters zu rücken; und von der grafischen Feinzeichnung avanciert Machination 84 schließlich zum Schwelbrand: Die Farbgebung wechselt für die zweite Spielhälfte ins Höllenfeuerhafte, zu heißem Gelb und Rot, und mit diesem Manöver beginnen auch die Wellenlinien nach links, bis in die Horizontale zu kippen, als verwehte sie ein imaginärer Sturm. Am Ende zerrinnen sie wie Farbe - mit einer letzten surrealistischen Pointe: In giftiggelben und blutroten Bahnen laufen sie, greifbar wie im action painting, aufwärts über die Leinwand.
(Stefan Grissemann)
Vertikale Wellenlinien in steter Korrelation zum leidenschaftlichen Pochen und Klicken eines Soundfragments von @c. Das Schwanken und Ineinandergreifen der Linien, die Choreografie des Fließens in schlichtem Schwarzweiß, wechselt alsbald in loderndes Gelbrot. Behutsam, wie von sachten Winden verweht, senkt sich das bewegte Geflecht in die Horizontale. Das in Realzeit zur Musik erstellte Video endet in geglätteten, ölfarbengleich auslaufenden Striemen. Visuelle Poesie.
(Diagonale Katalog, 2011)
Zuerst nur sanft pulsierende, bald stärker in Wellen ausschlagende, vertikale Linien durchziehen ein schwarzes Bildfeld. Das hinterlässt gewissermaßen sichtbaren Nachhall, verdichtet sich zu fein strukturiertem Schichtwerk, über dem schließlich, parallel zum Tonfall der Musik, dunkle Farben verrinnen. Machination 84 heißt das kurze Video von Lia aus 2010. Es ist einerseits charakteristisch fürs Werk der österreichischen Computerkünstlerin und Softwareartistin. Die Bilder sind zum digitalen Score der langjährigen musikalischen Kollaborateure @c entstanden. Sie sind abstrakt und anfangs von Schwarzweiß dominiert. Aber im Unterschied etwa zu o68 (2008) wirken die Formen organischer, weicher. Während dort milchig weiße Splitterformen an den Strich von Comics denken lassen, assoziiert man diesmal einen malerischen Bezug.
(Isabella Reicher)
Machination 84
2010
Österreich
5 min 43 sek