Papa
Die Ruhe währt nur kurz. Dann haut sich der Kleine im Halbschlaf den Kopf an, das Baby stimmt in sein lautes Weinen ein, und der suchende Arm vom Papa greift morgens auf der Schlafcouch ins Leere. Seine Freundin, die Mutter der beiden Buben, ist nicht da. Auf einem Zettel in der Küche hat sie ein paar Sätze hinterlassen, telefonisch ist sie nicht zu erreichen. Der Papa ist das, was man umgangssprachlich ein „Häferl“ nennt: Er wird schnell heiß und läuft über – wie die Milch, die er jetzt selber für sein Baby abkochen muss. Der Papa ist ein junger Mann mit attitude, ein Rapper, ein Macho. Sein Selbstverständnis und seine Ausdrucksweise sind mit der Betreuung und den Bedürfnissen von Kleinkindern nicht so ohne weiteres in Einklang zu bringen. Außerdem lebt der Papa in Wien, wo die Kleinkinderbetreuung ganz generell immer noch in erster Linie Familien- und Frauensache ist. Umut Dag entwickelt aus dieser Ausgangssituation in gerade einmal 40 Minuten eine dichte kleine Erzählung, die in ihrer Nähe zu Vater und Kindern in vielen Situationen fast dokumentarisch wirkt: Eine wendige Kamera folgt der namenlosen Hauptfigur, die Murathan „Aqil“ Muslu sehr überzeugend verkörpert, bei ihren hektischen Bewegungen zwischen Zimmer, Heimstudio und Küche. Die Kinder müssen gefüttert, gewickelt, beschäftigt und beruhigt werden. Dann kommen Freunde vorbei, der Familienvater muss sich zwischen seiner neuen Aufgabe und lieben alten Gewohnheiten entscheiden. Auf die Frage, wie (und ob) man einer Community, ihren Werten und Codes entsprechen kann und zugleich ein guter Vater sein, gibt es keine einfache, schmerzfreie Antwort. Aber man kann sie fürs Kino mit Gewinn in eine stimmig nachempfundene, tragikomische Verhaltensstudie übersetzen. (Isabella Reicher) Nicht alles dreht sich in Graz um Film, am Freitag sorgte eine Demo gegen empfindliche Budgetkürzungen für volle Straßen, und verhinderte so fast den Weg von einem Kino zum anderen. Zum Glück aber nur fast, denn den, mit 41 Minuten langen, Kurzfilm Papa von Umut Dag zu verpassen, wäre wirklich schade gewesen. Die Geschichte ist an sich einfach: Ein männliches Kraftpaket, von Beruf Rapper, wacht eines Morgens vom Plärren seiner beiden Kinder auf, findet einen lapidaren Zettel seiner Frau, dass sie "es nicht mehr aushält", und sieht sich zum ersten Mal seit der Zeugung der Söhne damit konfrontiert, sich um sie kümmern zu müssen. Was darüber hinaus den Film besonders macht, ist die visuelle Übersetzung der Situation, in der Anfangsphase ist die Figur wütend, aggressiv, fassungs- und ratlos, bleibt aber in seiner Macho-Rapperrolle; entsprechend sind die Bilder. Die Kamera bleibt dicht an Details, am Gesicht, die Schnittfrequenz ist hoch und wild, nachdem er anfängt, sich in seiner neuen Rolle zu fügen, werden die Bilder ruhiger, der Film langsamer, der Mann symphatischer. Erstaunlich, die Rolle ist mit einem Laien, Murathan Muslu, besetzt, dessen Spiel aber zu keiner Zeit laienhaft ist. Zu Recht bekam dieser Film den Kurzspielfilm-Preis, dessen einer Teil eine Ausstrahlung im Fernsehen ist. (Christine Dériaz)
Papa
2011
Österreich
40 min