NOUVELLE BURLESQUE BRUTAL
HAFENPERLEN
ARIA DE MUSTANG
FLAMING FLAMINGOS
Eine kokette Stripperin flirtet mit einer vornehmen Dame. Eine Dressurreiterin stürzt sich in eine quasi-pornographische Ménage à trois mit einem von zwei Frauen verkörperten Pferd. Eine Spirale und eine mit Wurfmesser bestückte Scheibe drehen sich im Konfettimeer. Und ein schweigender, lachender, jauchzender und küssender lesbisch-queerer Chor umrahmt die Trilogie. Im Kontext von Post-Porn-Strategien und der (auch) von Queers und Feministinnen gekaperten New-Burlesque-Bewegung, bei denen die Pluralität und Performativität von Körperbildern und Begehrensformen zentral sind, durchkreuzt die in Wien lebende Künstlerin und Otto-Mauer-Preisträgerin Katrina Daschner – mit einem scheinbar klassischen Vokabular der Verführung – heterosexistische Blickregime. Wenn die Burlesque-Performerin im ersten Teil HAFENPERLEN, der einen ägyptischen Film aus den 1940er Jahren zitiert, in dem die Sängerin und Tänzerin Naima Akef sowohl eine Bauchtänzerin wie auch den mit ihr flirtenden Kapitän verkörpert, lächelnd die traditionellen Gesten erotischen Teasings abruft, so ist ihr Lächeln nicht das des verfügbaren Objektes. Im Gegenteil baut das wissende Grinsen, direkt an die Kamera adressiert, im Verein mit dem komplizenhaften Zuzwinkern zwischen Stripperin und zuschauender Dame (beide von Daschner gespielt) eine Distanz zum glamourös und stylish, fast steril inszenierten Geschehen auf, das dieses gleichzeitig als Fantasma kommentiert – wie auch das befreiende Gelächter des lesbischen Chores am Ende. Auch im zweiten und dritten Teil, ARIA DE MUSTANG und FLAMING FLAMINGOS, die mit kalkulierter Dramatik und queerer Musikuntermalung von den Kumbia Queers, Bonanza Jellybean und Edita Gruberová auf wiederkehrende Motive der Film- und Theatergeschichte alludieren, steht die lustvolle Selbstbestimmung im Vordergrund, die durch die Vielheit des Chores, der mal androgyn, mal opulent im roten Fummel-Drag auftritt, augenzwinkernd kommentiert und letztlich eingebettet wird in ein machtvolles Kollektiv.
(Sonja Eismann)
Bei allen Teilen der Triologie begeben sich die Zuschauer_innen in einen von mir aufgemachten Bühnenraum und befinden sich in einem Feld von Blickregimen, in dem sie nicht nur Publikum sind, sondern auch zu Akteur_innen werden. Durch die spezifischen theatralen Ausstellungspräsentationen werden formale Fragen des Performativen und der (Bühnen-)Inszenierung sowie der Dokumentation von Performances besprochen.
(Katrina Daschner)
Der Film Hafenperlen (2008) ist der erste Teil einer dreiteiligen Burlesque-Filmserie, in dem zwei Frauen miteinander flirten. Umrahmt ist die Szene von einem Chor, der sowohl das Setting und den lesbisch-queeren Kontext darstellt, als auch Distanz zur vermeindlich narzisstischen Burlesque herstellt.
Im zweiten Teil Aria de Mustang (2009) löst sich das Doppelgängerinnenspiel auf und wird zu einer Beziehung zwischen einer Dressurreiterin und einem glitzernden Pferd (gespielt von Denice Fredriksson und Sandra Ortmann). Eine Amour fou, bei der es zur Sache geht. Statt in einem choralen Lachanfall wie bei Hafenperlen kulminiert Aria de Mustang in kollektiver Kolloratur. In Flaming Flamingos (2011), dem abschließenden Teil der Trilogie, bildet der Chor einmal mehr den Rahmen für das verführerische Spiel um Verheißung, Verweigerung, Dramatik und Distanz, vor allem aber für die Imagination und Interpretation der ZuschauerInnen.
(Barbara Reumüller)
NOUVELLE BURLESQUE BRUTAL
2011
Österreich
43 min