Kleine Perestrojka

Zu den Vermögen des dokumentarischen Films als Kunstform gehörte von Anfang an die Beobachtung und Darstellung von Veränderungen, und seien diese noch so unscheinbar. Bernhard Pötschers erste eigenständige filmische Arbeit verspricht schon im Titel Veränderung und versieht diese zugleich mit einem quantifizierenden Attribut: Im Vergleich zu dem in der Sowjetunion Anfang 1986 eingeleiteten Umstrukturierungs- und Modernisierungsprozess handelt es sich bei den Veränderungen, die Pötschers Film beschreibt, um einen minder schweren Umbau, eine Kleine Perestrojka eben.

Schauplatz des Films ist die Kirgisische Republik, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade ihre zweite demokratische Revolution (nach der Tulpenrevolution 2005), einen gewalttätigen ethnischen Konflikt zwischen Kirgisen und Usbeken im Süden des Landes sowie ein Verfassungsreferendum hinter sich gebracht hatte, das den seit Ende der 1990er Jahre anhaltenden Trend zur autoritären Präsidialdemokratie endgültig umzukehren beabsichtigte. Ein Schauplatz erheblicher politischer Umwälzungen also, deren Dimensionierung man dem Film nur deshalb abnimmt, weil er sie konsequent mit der Arbeit und der subjektiven Erfahrung seines Protagonisten Shailo Djekshenbaev, eines freischaffenden Fotokünstlers, ins Verhältnis setzt.

Auf diese Weise gelingt dem Film, was jeder faktenorientierten außenpolitischen Reportage notwendig verwehrt bleiben muss: die Konzentration auf das innere Zeitmaß der Veränderung. Diese zeigt sich als Zustand, der sich vom Anfang bis zum Ende, von den Tränen über den Zustand des kirgisischen Volkes bis zum halbherzigen Versuch, die Tapeten aus der Sowjetzeit loszuwerden, nur minimal transformiert. Als Ereignis bleibt eine Revolution der Erfahrung stets äußerlich. Gemessen an den Empfindungen eines Protagonisten erst beweist die Perestrojka ihre relativierende Kraft. (Vrääth Öhner)

Orig. Titel
Kleine Perestrojka
Jahr
2012
Land
Österreich
Länge
90 min
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
keine Angaben
Untertitel
Englisch, Deutsch
Credits
Regie
Bernhard Pötscher
Kamera
Bernhard Pötscher
Schnitt
Bernhard Pötscher
Sound
Atanas Tcholakov
Sound Design
Atanas Tcholakov
Produktion
Bernhard Pötscher
Mit Unterstützung von
Land Oberösterreich, bm:ukk
Links
Verfügbare Formate
Blu-ray
Bildformat
16:9
Tonformat
Dolby Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2012
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
Linz - Crossing Europe Film Festival
2013
Jeonju - International Film Festival
Warsaw - Docs Against Gravity Film Festival