Twinni oder so
Dieser Film ist ein kleines Radikal-Monument. Ein paar Momente aus dem Leben zweier Mädels, denen einfach nur „urfad“ ist. Die eine hat einen „Fetzen“ in der Schule kassiert und hat Hausarrest. Die andere sitzt ihn mit ihrer Freundin ab, im Buchladen der Mutter. Sie tanzen und verarschen einen Mitschüler am Telefon. Als dann doch ein Kunde den Laden betritt, entspinnt sich ein kurzes Gespräch. Er, der für seine Oma irgendein Buch kaufen will, steigt die Jugendliche an. Recht offensiv sogar. Schwimmen würde er gerne mit ihr gehen. Dann ist’s wieder urfad. Musik donnert über den Abspann. Regisseurin Lisa Weber hat eine Gabe: sie spielt ihre Figuren aus all den Zuschreibungen und Bedeutungsebenen frei und betritt damit eine Terra Incognita des österreichischen Gegenwartskinos. Den Jugendfilm. Keinen, in dem die Gefühle, Gedanken, Idiome, Milieus hinterfragt werden. Sondern einen, der einfach ist, in all seiner schnöden Alltäglichkeit und Bedeutungslosigkeit. Das Leben halt. „Twinni oder Jolly, is mir scheißegal“, raunzt die eine ihrer Mutter ins Telefon, wenn’s darum geht, ein Eis mitzubringen. „Tschusch“ sagt sie zum Abschied. Radikal ist Webers Kurzfilm, da er dem bildungsbürgerlichen, sozialhygienischen Mief, der immer dann ruchbar wird, wenn das Kino Jugend verhandeln will, nicht einmal etwas entgegensetzt. Sondern ihn schlicht ignoriert. Twinni oder so ist ein Bauchfilm. Die Regisseurin dankt im Abspann „jedem Herzklopfen, das das Hirn übertönt“. Vorintellektuelle Unschuld, könnte man das nennen. Einen Urzustand des Erzählkinos, wie herbei teleportiert aus einer fremd gewordenen Vergangenheit. Hoffentlich verlernt die selbst noch sehr jugendliche Lisa Weber diese Unschuld nie. Hoffentlich bleiben ihre Filme so frei und unverschämt und selbstverloren wie Twinni oder so. Das wäre ein Glücksfall für das österreichische Erzählkino. Und außerdem ursuper. Oder so.
(Markus Keuschnigg)
Twinni oder so
2012
Österreich
11 min 55 sek