Siesta

„It must be about one week since it happened...“ Ein verlassener Strand am Morgen; verwaiste Gassen in der Mittagshitze; Straßenrasterpanoramen, in denen aus der Ferne keine Bewegung auszumachen ist. Was aussieht wie die üblichen Auszeiten im Tagesrhythmus einer südeuropäischen Küstenstadt – Siesta eben –, stellt Siesta auf katastrophische Dauer: Etwas ist geschehen, nun steht Barcelona leer und die bemalte Stranduhr still. Eine Einheimische sucht nach anderen Überlebenden und frischen Reserven. Ihre Streifzüge filmt sie mit, ihre Tagebucheinträge verliest die Voice-Over. Den Texturen der Bilder wie der aufgezeichneten Welt ist anzusehen, dass dieses Desaster in der Vergangenheit stattgefunden haben wird: Die körnigen 8mm-Aufnahmen stammen aus Urlaubsfilmen aus den Jahren um 1980. Filmemacher David Krems hat sie am Flohmarkt erstanden und für diese Miniatur unheimlicher Alltäglichkeit zweckentfremdet.

Das weckt Assoziationen mit der aktuell boomenden Serie von Horrorfilmen mit gefälschtem Found Footage (und, nebenbei, mit einer andere österreichische Fake-Found Footage-Postapokalypse, Sea Concrete Human von Michael Palm). In Siesta freilich ist das Material echt, der Kontext konstruiert. Die Arbeit am Bild pendelt sich dabei ein zwischen gewitzter Manipulation und angewandter Analyse. Durch digitale Nachbearbeitung wurden allfällige Zivilisationsspuren entfernt, Montage und Erzählung vernähen verschiedene Urlaubsdestinationen zum Handlungsschauplatz Barcelona, und weil die Protagonistin auf ihren Expeditionen auch ein Tonbandgerät mitträgt, hat Hugo Furtado ein Sounddesign geschichtet, dessen Verstörungskraft im Naturalismus nistet. Die Transformation von Urlaubs- in Überlebensbilder spiegelt nebenher auf die Konventionen des Kameratourismus zurück: Ein aus dem Alltag gefallener Blick, dem jede Straße, jede Villensiedlung zum Ereignis wird, ist im Ausgangsmaterial schon angelegt. Dass sich das touristische Abscannen von Gegenden so schnell ins Paranoide wenden lässt, bildet den eigentlichen unheimlichen Kern von Siesta.

(Joachim Schätz)

Orig. Titel
Siesta
Jahr
2012
Länder
Österreich, Portugal
Länge
15 min
Kategorie
Kurzfilm
Orig. Sprache
Spanisch
Untertitel
Englisch
Downloads
Siesta (Text)
Siesta (Bild)
Siesta (Bild)
Siesta (Bild)
Credits
Regie
Hugo Furtado, David Krems
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2012
Mar del Plata - Int. Film Festival