Rooms
Im Dunkel eines engen Vorzimmers setzt der Film ein. Die Kamera schwankt, und George W. Johnsons blechernes Gelächter aus dem „Laughing Song“, 1898 auf Edison-Wachswalze festgehalten, liegt wie ein höhnischer Kommentar über den Bildern. Ein Schnitt führt vom Korridor ins Schlafzimmer, in dem ein Transistorradio neben einem Bett mit glattgestrichener Tagesdecke steht. Im Treppenhaus flackert das Licht, leises Dröhnen mischt sich in die sinistre Musik, Fragmente einer sentimentalen Melodie sickern in die Tonspur. Durch die Vorhänge des Wohnzimmers ist eine Betonsiedlung erkennbar.
Rooms erkundet den investigativen, streng subjektiven Blick des Amateurfilms: Anonyme Paare treten auf, posieren oder geben sich unbeobachtet, man feiert, trinkt und küsst sich. Die Tapeten, Vorhänge und Hauskleider sind von floralen Mustern dominiert. Die sanften Wellen eines goldfarbenen Meers rollen an den Strand, wie in einer bewegten Fototapete. Nach surrealem Zwischenspiel – eine Gruppe von Flamingos watet durch ein Zimmer, in dem das Wasser knöchelhoch steht – fällt der Blick der Kamera, von der Feuerleiter eines Hauses aus, in die Straßen einer amerikanisch anmutenden Stadt. Welche Geschichte wird hier erzählt?
Johannes Hammels Filme sind (und stellen) Materialfragen: Wie verweisen Bildoberflächen auf die Zeiten ihrer Entstehung und die Ursachen ihrer Herstellung? Wie unterscheiden sich Kulissen von Originalschauplätzen? Und wie leicht sind die Indizien zu fälschen, die sich im Filmmaterial, in den Interieurs und im Textildesign finden? Es geht in Rooms nicht nur um Raumwirkung, sondern auch um die ästhetischen Normen alter home movies, um Super-8- und Identitäts-Projektionen – und etwa um die doppelte Instabilität des Raumlichts und der Filmbelichtung. Dem Schein ist nicht zu trauen: Die Grenze zwischen authentischen und fingierten Bildern ist hauchdünn.
(Stefan Grissemann)
Ein Transistorradio nebst Bett mit dottergelbem Schoner. Vielleicht erklingt der Schlager aus dessen Lautsprechern. Johannes Hammel trägt ihn jedenfalls fort – in Küche und Hausflur: Rooms. Das Super-8mm-Filmmaterial wehrt sich derweilen im Flackern gegen Vergänglichkeit und Vergessen. Die darauf verewigten Menschen tun es ihm gleich: Als würden sie Abschied nehmen, führen sie durch ihre Wohnräume der 1970er Jahre. Dazwischen zwei Liebende: ein Likör, ein Kuss – inszeniert für die Ewigkeit. Es sind Erinnerungen an gute Momente und eine vergangene Medienrealität. Wenn sich Rooms schließlich hinein in die Sehnsuchtsräume der Filmenden öffnet – in amerikanische Straßenschluchten, ans Meer – liegt Schwere in der Luft und die Protagonist/innen erscheinen endgültig als Gespenster eines Mediums, das wich.
(Katalog Diagonale 2013)
Rooms
2013
Österreich
10 min