Wir sind die Mutanten
Eine Archivaufnahme in Schwarzweiß, begleitet von nostalgischen Musikklängen: Mitarbeiter der österreichischen Post sortieren am Laufband im Akkord Briefe und Pakete. Diese fordistisch normierten Arbeitsabläufe haben sich in der Gegenwart, wie in so vielen anderen Betrieben, automatisiert; heute sorgen große Maschinen für das rasche Sortiment der Post.
Konrad Wakolbingers Kurzdokumentarfilm Wir sind die Mutanten – der Titel verdankt sich einer Interviewaussage des ehemaligen Post-Vorstandsvorsitzenden Anton Wais – geht der Frage nach, was aus den menschlichen Arbeitskräften wurde, die bei der Privatisierung des Staatsunternehmens auf der Strecke blieben. Einst in den ehrenwerten Status von Beamten erhoben, konnten sie nicht einfach wegrationalisiert werden. In euphemistisch „Karriere- & Entwicklungscenter“ (kurz: KEC) benannte, interne Einrichtungen abgeschoben, fristen sie im Limbus der Firma ein klägliches Dasein, das hauptsächlich aus Zeitvernichtung besteht.
Wir sind die Mutanten versucht diesen Sonderweg weniger zu illustrieren als zu versinnbildlichen. Die via sachliche Voice-Over eingesprochene Firmenentwicklung wird durch die Statements Betroffener gestützt. Auf der Bildebene greift Wakolbinger jedoch auf keine Interviews zurück. Stattdessen montiert er Ansichten einer gespenstisch verlassenen Arbeitswelt, aus der sich jede menschliche Aktivität verflüchtigt hat: verwaiste Computermäuse, lose Kabeln, stillgelegte Büroräume. Ein einzelner Postbeamter steht stellvertretend für den Abbau einer einst stolzen Berufsgruppe: Er legt zu Beginn seine Uniform an, als er sie am Ende des Films wieder auszieht, sieht man, dass er ein künstliches Bein trägt. Wir sind die Mutanten behandelt das, was gerne übersehen wird, wenn auf ein etabliertes System ein effizienzgesteigertes folgt: den Kollateralschaden.
(Dominik Kamalzadeh)
Wir sind die Mutanten
2013
Österreich
15 min