Tough Cookies
Boxerdramen vollziehen sich im Spielfilm meist entlang einer normierten Dramaturgie: Ein Talent macht seinen Weg an die Spitze über die Erfahrung der Niederlage. Diese erst lässt den Triumph am Ende so ruhmreich erscheinen. In Ruth Kaaserers Dokumentarfilm Tough Cookies verschieben sich gleich mehrere Koordinaten. Erstens geht es um keine heroisierende Erzählung mehr, an deren Ende jubelnde Gewinner stehen, sondern um den geraden Blick auf ein sportliches Milieu, in dem der Tagesrhythmus nach praktischen Routinen getaktet ist. Zweitens unternimmt die Regisseurin einen Gender-Wechsel: Drei US-amerikanische Frauen stehen hier im Mittelpunkt, die sich in einer Männerdomäne bewähren und in ihren jeweiligen Sparten mit Ausdauer und Disziplin operieren. Die Afroamerikanerin Tiffanie ist Amateurboxerin, die sich mit ihrem Trainer für die Olympischen Spiele qualifizieren will; Jaci hat sich für ein professionelle Laufbahn entschieden und kämpft dabei zu einem gewissen Grad auch gegen private Erfordernisse an; Tree wiederum hat ihre Karriere bereits beendet und arbeitet mittlerweile als Stuntfrau.
Kaaserer nähert sich ihren Protagonistinnen fast ausschließlich auf der Ebene von Arbeitsabläufen an: Sie begleitet die Sparring-Trainings, die Motivationsgespräche mit den Coaches und die Übungseinheiten mit der Stuntfrau; sie steigt mit ihren Boxerinnen aber auch in den Ring, wo abseits der glamourösen Star-Duelle von Las Vegas eine vergleichsweise profane Welt des Boxsports anschaulich wird. Das Foto vor dem Kampf, die richtige Haltung im Schlagabtausch, die kleine, vielsagende Geste danach – all das ist gleichbedeutend. Die Unbeirrbarkeit und Erdgebundenheit, mit der sich Kaaserer den kleinen Erfolgen, aber auch den dazwischen aufflackernden Zweifeln und Nöten ihrer Kämpfernaturen widmet, statten den Film mit Glaubwürdigkeit aus.
(Dominik Kamalzadeh)
Ein Protagonist trifft eine hübsche Frau und gerät kurz darauf in Konflikt mit ihrem Freund. Er verliert gegen diesen, fängt zu trainieren an, es folgt eine hübsche Montage, die seinen Fortschritt zeigt und am Ende besiegt er den Antagonisten in dessen eigener Königsklasse. Klingt nach Karate Kid, The Fighters oder auch Fast and Furious: Tokyo Drift. Filme dieser Art haben eines gemeinsam. Sie inszenieren ein Motiv, einen mehr oder weniger nachvollziehbaren Grund für körperliche Anstrengungen, der es dem meist männlichen Hauptcharakter ermöglicht, seine schier unschaffbaren physischen Ziele zu erreichen. Das echte Leben ist so nicht und dennoch stürzen sich zahlreiche Menschen in körperliche Herausforderungen wie Wettbewerbe und Kampfsportwettkämpfe. Die österreichische Filmemacherin Ruth Kaaserer verfolgt mit ihrer Dokumentation Tough Cookies drei sehr unterschiedliche Frauen, die die Liebe zum Boxsport verbindet.
Tiffanie ist Amateurboxerin, Jaci hat in den Profisport gewechselt und Tree hat das Wettkämpfen bereits an den Nagel gehängt und arbeitet nun als Stuntfrau. Die Kamera begleitet die drei Frauen aber nicht nur im Ring und beim Training, auch wenn Ruth Kaaserer in Tough Cookies den körperlichen Aspekt ihrer Leben ganz klar in den Vordergrund stellt und wir kaum erfahren, ob es neben dem Training und Boxen weitere Lebensinhalte der Frauen gibt.
Jaci, kurz vor einem wichtigen Kampf, scheint fast zu zerbrechen. Ihr Glück ist es, einen unglaublich motivierenden Trainer zu haben, der sie auch psychisch unterstützt. Sie muss Entscheidungen treffen, ob ihr das Training wichtiger als ein neuer Job ist. Anders ist der Trainer von Amateurboxerin Tiffanie, dessen Training weniger mitfühlend, sondern auf Härte und Drillsergeant Disziplin beruht. Wenn Tiffanie, die als starke, selbstbewusste Frau vorgestellt wird, unter seinen Schreien in Tränen ausbricht, stellt sich unausweichlich die Frage, was ihre Motivation hinter diesem harten Training ist? Eine Frage, die Tough Cookies aber nicht direkt beantwortet. Während der physische Aspekt durch zahlreiche Trainingssituationen so bildlich vermittelt wird, dass man beim bloßen Zusehen zu schwitzen beginnt und einen Muskelkater bekommt, kann die Psyche der Boxerinnen nur erahnt werden.
Ruth Kaaserer beschränkt sich darauf, einfach abzubilden. Die Protagonistinnen sprechen niemals direkt zum Publikum, es gibt keine erklärenden Interviews, die Kamera scheint passiv an Lebensausschnitten der Boxerinnen teilzunehmen. In einem der wenigen Monologe, der uns einen tieferen Einblick in Jacis Leben gibt, spricht sie eigentlich zu ihrem Hund. Die Entscheidung, die Bilder so scheinbar unkommentiert stehen zu lassen, fordert die Zuschauenden auf, auch über sich selbst zu reflektieren. Würde man selbst nach einem Rückschlag weitermachen? Wie würde man selbst reagieren? Ist der unbeugsame Wille und Tatendrang nachvollziehbar oder scheinen die Frauen eher masochistisch? Woher nehmen diese Frauen ihren unbeugsamen Willen und ihre Energie?
Ruth Kaaserer gibt mit Tough Cookies Einblicke in eine Welt, die die meisten Menschen wohl eher aus Hollywoodfilmen mit Sylvester Stallone oder Robert DeNiro kennen. Drei Frauen, die aus verschiedenen Perspektiven Einblicke in die Welt des Frauenboxens geben. Dabei geht es in Tough Cookies aber weniger um den Boxsport selbst, sondern um Einblicke in die Leben dieser drei völlig unterschiedlichen Frauen, die durch Leidenschaft, Disziplin und Durchhaltevermögen vereint sind. Tough Cookies beobachtet ohne zu kommentieren und überlässt es dem Publikum, Schlüsse zu ziehen.
(Johannes Mayrhofer, In: dvd-forum.at)
Tough Cookies
2014
Österreich, USA
80 min