carte noire
Es blitzt Weiß ins Nachtschwarz. Wie herausgeritzt, wie hingetupft. Flackernde Schemen, Geistervisionen. Ein veritabler "phantom ride", ein Spannungsfilm.
Mit ihrer sinistren Roadmovie-Miniatur carte noire setzt Michaela Grill ihre filmische Bewegung von der Abstraktion zur Verfremdung des Gegenständlichen fort und ist nunmehr bei einem klassischen, hoch aufgeladenen Motiv der Populärkultur und auch des Kinos angelangt: der einsamen Autofahrt auf einer leeren Straße über Land, welche mehr oder weniger automatisch und genreübergreifend Assoziationen freisetzt. Nicht erst am überraschenden Ende darf man annehmen, dass hier unter anderem auf den "lost highway", frei nach David Lynch, angespielt wird.
Die zugrundeliegende Aufnahme ist eine Subjektive geradeaus, mit Blick auf das Asphaltstraßenband samt Mittelstreifen, das hinter einer Hügelkuppe zunächst verschwindet, um dann wieder aufzutauchen und auf die nächste Anhöhe zu führen. An den Seiten meint man, karge Steppenlandschaft zu sehen, am Horizont ein sanft ansteigendes Gebirge. Denn die digitale Bearbeitung macht daraus ein Negativbild in flackerndem Schwarzweiß, wie Ölkreide auf dunklem Karton, ein von Andreas Berger mit flirrendem Unheimlichkeitssound bestücktes, knapp zweieinhalbminütiges Fragment einer nächtlichen Fahrt auf unsicherem Gelände: Der Asphalt vibriert, und der Horizont erhellt sich. Der Motor röchelt, und die Sicht verschwimmt. Ein imaginärer Trip. Film noir. carte noire. Wir sind, frei nach David Byrne, unterwegs auf einer Straße nach Nirgendwo. Das Käuzchen wartet schon.
(Isabella Reicher)
carte noire
2014
Österreich, Kanada
2 min 30 sek