THE
Die Angst hat – anders als die Furcht – kein wovor, ihr Objekt ist eine Leerstelle: THE in massiven roten Buchstaben, begleitet von einem Krähenschrei vor wolkendurchzogenem Hintergrund. THE was? The Thing, The Ring, The Descent, The Exorcist oder doch einfach nur The Wedding Planner?
Wohl eher nicht. Denn THE füllt die Leerstelle über 13 Minuten nicht, lässt Betrachter und Werk nie zusammen kommen, einen Bund schließen, der ein Durchatmen ermöglichen würde. Konsequent wird die Leerstelle offen gehalten, als Ort der Spannung, der Nicht-Entscheidbarkeit, der Erschlossenheit – zwischen Abstraktem (den für Roisz typischen, bebenden, zitternden Farbbalken) und Konkretem (eine Jalousie blitzt auf, Vogelgezwitscher), zwischen granitartiger Oberfläche und feuerrotem Abgrund, zwischen klischee-beladenen Kindermelodien und authentischen Drone Sounds des Horrorfilms, frei schwebend in jener Dialektik, die in Freuds „Unheimlichem“ steckt.
Im zweiten Teil des Films wird die schwammige Angst im Kopf zu einer sehr konkreten Terror-Arbeit am Körper. Hier wird die abstrakte Form zur konkreten, viszeralen Oberfläche, die sich wellt und verbiegt, verschiebt und aufreißt. Das Bild selbst spuckt wabernde Masse hervor, wird zur Lochmaske, die diese wiederum einzusperren sucht, beginnt rhythmisch zu pulsieren und wie ein Körper zu atmen und zu schreien. THE ist ein beeindruckendes Werk zur psychischen und haptischen Kraft der abstrakten Erfahrung, eine Reduktion – mehr noch – Rückführung der ostentativ ausgestellten Körperverwundungen und wenig subtilen Effekthascherei der Torture-Porn Bilder zurück in den medialen Kern des Audiovisuellen: „The Medium is the Massage“.
(Alejandro Bachmann)
Am Himmel ziehen die Wolken vorüber. Dunkles Grummeln. Eine Krähe kräht. Eine Melodie. Anzeichen dafür, dass etwas Unerwartetes passieren wird, liegen in der Luft. Mit ihrer Arbeit begeben sich Billy Roisz und Dieter Kovačič in die Strukturen und Mechanismen des im Horrorfilm evozierten Grauens. Sie experimentieren mit Hör- und Sehgewohnheiten, verwandeln die Leinwand in eine fragile Membran zwischen Betrachter und Betrachtetem und erforschen den Raum zwischen außen und innen. Oberflächen entziehen sich jeglicher Zuordnung, Raster wechseln mit Streifen und Punkten, mit vermeintlich Dinglichem. Die Grenzen zwischen Abstraktem und Konkretem sind aufgehoben. Das Vermessen des Raumes zur Orientierung ist unmöglich. Manchmal blitzt für eine Sekunde die Möglichkeit auf, zu verstehen, sich zu orientieren – und ist dann gleich wieder verschwunden. Vertigo.
14 Jahre nach Beginn ihrer Zusammenarbeit haben Billy Roisz und Dieter Kovačič nun auch wieder eine gemeinsame Regie-Arbeit vorgelegt.
(Berlinale Katalog 2015)
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2015
Österreich
13 min