absent
Als Kind stellt man sich vor, dass Spielsachen und Möbel zu leben beginnen, sobald man nur wegschaut. „Magisches Denken“ nennt Freud diese Phase, in der man halb hofft, halb fürchtet, die Dinge könnten ein Geheimnis vor uns Menschen verbergen.
In ihrer Kurzfilmserie „Recyclers“ griff die Animationskünstlerin und Sounddesignerin Nikki Schuster diesen Gedanken auf und ließ Fundstücke aus dem Müll verschiedener Großstädte tanzend eine eigene Subkultur begründen.
In der experimentellen Foto-Animation absent geht sie noch einen Schritt weiter und findet Leben dort, wo das menschliche längst abgezogen ist: In leerstehenden Gebäuden in Spanien, Bolivien, Mexiko, Bosnien, Kroatien und Deutschland taucht ein mikroskopischer Blick unvermittelt in enge Plastikschläuche und staubige Mauerritzen ein. Gleißendes Licht wechselt in den mit Bauschutt und Müll angefüllten Räumen mit der Schwärze verborgener Winkel.
Schusters Stop-Motion-Technik sorgt dafür, dass der filmische Blick dabei so überhaupt nicht menschlich wirkt: Mal unnatürlich beschleunigt, mal verlangsamt, mal sprunghaft bewegt er sich durch die verlassenen Räume, als wäre es der Raum selbst, der seine Wahrnehmung wandern lässt. Vielleicht sehnen sich die Gebäude nach den alten Bewohnern, die bei ihrem Auszug die Relikte der prä-digitalen Ära achtlos in die Ecke warfen. Auf dem schmutzigen Betonboden dreht noch eine Gruppe Magnetbänder ihre letzte Runde. Einziger Fahrgast auf den rotierenden Metallspulen ist eine Zigarettenkippe, die den Sprung ins neue Zeitalter auch nicht geschafft hat.
Vor der Tür räkeln sich rostige Klappstuhlgerippe und in der Spüle rappeln müde die Teller: Kann schon sein, dass die Zukunft virtuell ist. Doch die Dingwelt lebt und wird uns alle überleben.
(Maya McKechneay)
absent
2015
Österreich, Deutschland, Spanien, Bolivien, Mexiko, Bosnien und Herzegovina, Kroatien
7 min