ALTERATION 109
Darstellende Geometrie für außerirdische Architekturen: Die Software- und Netzkünstlerin LIA betreibt in ihrer Videoarbeit ALTERATION 109 die Metastasierung grafischer Objekte, in silbrigem Schwarzweiß zunächst; dabei nimmt ein hochdefiniertes Spiel sich in- und übereinander schiebender schwarzer, weißer, grauer Flächen Form an, ein komplexer Tanz der Bruchlinien, Gitter, Spitzen und Kanten. Das Gewebe zuckt und pulsiert, als pochte in seinem Inneren ein Maschinenherz, das all die Mutationen erst ermöglicht: Die virtuelle Gestalt dieses Minimal-Universums ist grundsätzlich instabil, das Umschlagen, Verwandeln, Abändern, Neubilden ihr Basisprogramm.
In sanften Kippeffekten und Drehbewegungen blendet das Geschehen fast unmerklich vom Vertikalen ins Horizontale über; die Illusion von Raumtiefe entsteht, die Andeutung von Nähe und Ferne, von Schärfe und Unschärfezonen. Die nervösen Klänge aus dem Rechner beschwören eine Art ungreifbares Drama herauf, eine im Abstrakten bleibende Suspense: Das Sounddesign der LIA-Kollaborateure @C scheint die visuellen Abläufe in einer streng kodierten Sprache zu kommentieren, mit dem Wispern der Festplatten und Schaltkreise zu begleiten. Erst im letzten Drittel, während analoge Percussion in den Soundtrack einsickert, mischen sich diskret Farben ins Spiel – lodernde Orangetöne, die bald ins Blutrote spielen. Im Finale werden die Farben wieder jäh entzogen, die Bewegung erstirbt; das Bild gebiert einen synthetischen Himmel, in dem ein paar ominöse Sterne leuchten. Nachrichten aus einem fernen Planetensystem.
(Stefan Grissemann)
ALTERATION 109
2015
Österreich
6 min 33 sek