SOFERN REAL
SchauspielerInnen veranschaulichen Zustände und Verhaltensweisen psychisch Kranker für MedizinstudentInnen. Sorgfältige Beobachtungen übersetzen sich in Sprache und Bewegung und schaffen so Bilder um Unverständliches zu verstehen, Unbegreifliches zu begreifen. Vielleicht der einzige Weg um eine verschobene Wirklichkeit zurechtzurücken.
Ein mysteriöses Haus ohne Möbel mit weißen Wänden, ein geräumtes Sanatorium? Ein Handtuchhalter aus mattem Aluminium über einem Radiator, Gitterstäbe vor dem Fenster, in jedem Fall ein Ort, der Wirklichkeit anhand der vielen Leerstellen untersucht und in Frage stellt. Die akribische Beschreibung eines Menschen geht weit über die medizinische Kategorisierung hinaus. Ein indifferentes Krankheitsbild wird erkennbar, die SchauspielerInnen schildern es minutiös und machen es auf diese Weise teilweise sichtbar. Die Interaktion mit dem Raum, dem Haus, dem Stuhl wird in filmisch klinischen Bildern und durch die Performance nachvollziehbar, der Widerstand gegen Konventionen manifestiert sich in der Bestimmtheit scheinbar sinnloser Bewegung und der Verzerrung von Sprache. Katatonische Steifheit paralysiert einen Körper, der nicht gehen kann, der sich über das blanke Parkett schiebt und so in Bodennähe Schutz vor den Übergriffen der Distanzlosigkeit sucht. Niemals vor anderen weinen, nur in der sicheren Abgeschlossenheit auf der versperrten Toilette. Die Stimme der Filmemacherin übernimmt die Stimmen der SchauspielerInnen und fokussiert die Aufmerksamkeit neu. Gesagtes erhält ein Echo, ein voice-over, Gesprochenes wird ergänzt oder ersetzt. Dieser doubletalk schafft eine weitere subtile Ebene der veränderten Wahrnehmung, der Interpretation und versuchter Krankheitseinsicht.
Miriam Bajtala hat mit SOFERN REAL erneut eine performative Raum-Erkundung geschaffen. Die Dekonstruktion der physischen und psychischen Räume erzeugt atemlose Spannung. Die objektivierten Reflexionen und respektvollen Interventionen der acting Menschen versuchen die non-acting Menschen zu enträtseln. Das Reale bleibt weiterhin so fern. (Wilbirg Brainin-Donnenberg)
SOFERN REAL
2016
Österreich
30 min