Tanzendes Brusthaar
Der Titel alleine lässt schon schmunzeln und er hält, was er verspricht. Fiona Rukschcio nutzt die Form des Musikvideos, gleich wie die Musikbranche als Werbefilm. Zu den schnellen Beats von Wanja Hof – eine Persiflage auf coolen Technodisco – schafft sie eine ambivalente Promotion für den behaarten männlichen Oberkörper. Die Ambivalenz ergibt sich aufgrund mehrerer hinterlistiger Verfahren: Da wären einmal die ausgeschnittenen Rümpfe der Herren der Schöpfung, denen Gliedmaßen und Köpfe fehlen, die mit Fallschirmen vom Himmel auf die Erde gelangen. Der Gebrauch traditioneller Animationstechniken erinnert an historische, gebastelte Trickfilme und wirkt so gar nicht wie zeitgenössische glatte Computeranimation. Zusätzlich arbeitet die Künstlerin unspektakuläre Reiseaufnahmen und ihre eigenen Collagen als Hintergrundbilder ein, die den behaarten, gezeichneten Mann mitunter wie ein weibliches Aktmodell darbieten. Den Vordergrund bilden immer die tanzenden Körperfragmente, wobei das Spiel der Genderverwirrung dabei lustvoll weitergetrieben wird. Die Torsos, mit und ohne größerem Bauch, bewegen sich wiegend ähnlich jener von Bauchtänzerinnen, formieren sich zu geometrischen Gebilden, vervielfältigen sich wie bei einem Musical von Busby Berkeley aus den 1930er-Jahren, und wie bei ihm werden sie dadurch zur anonymen Masse von ästhetisch arrangierten Körpern. Bei Rukschcio sind diese Körper aber keine Mitglieder eines meist weiblichen Balletts mit aufwendigen Kostümen, sondern "nur" nackte Männerbrüste mit unterschiedlich starker Behaarung. In einer Gesellschaft, die ihre eigene Dekadenz unter anderem mit dem Ideal von glatten, rasierten Körpern aller Geschlechter feiert und lebt, ein wichtiges und gleichzeitig humorvolles Statement für die individuelle Freiheit und gegen Normierung. (Brigitta Burger-Utzer)
Tanzendes Brusthaar
2015
Österreich
3 min 20 sek