Der wohlwollende Diktator

"Ein wohlwollender Diktator unter diesen Umständen", sagt Norbert Abeles, Protagonist des gleichnamigen Dokumentarfilms, "ist ja das beste. Der nützt die herrschenden Umstände aus zum Wohl des Volkes." Was sind das für Umstände? Umstände, wie sie in Malawi, wo Abeles seit mehr als 30 Jahren lebt, vorherrschen: in erster Linie ein Teufelskreis aus großer Armut und geringen Chancen auf Bildung. Umstände, die vom Kolonialismus hervorgebracht wurden und die als dessen Erbe auch nach der Unabhängigkeit des Landes andauern.

Was Abeles´ Äußerung so bemerkenswert macht ist, dass sie von jemandem kommt, der selbst vor einer Diktatur fliehen musste. Als Kind jüdischer Eltern wurde er 1938 mit dem so genannten "Kindertransport" nach Großbritannien gebracht. Seine Mutter ließ er in Wien zurück (sie wurde später von den Nazis deportiert und ermordet), sein Vater hatte sich schon ein Jahr zuvor das Leben genommen. 1956 kam Abeles als Kolonialbeamter im Dienst des britischen Colonial Service nach Afrika, heute wohnt er in Nkhotakota am Malawisee, wo er mit seiner Ehefrau und mehr als zehn Angestellten lebt.

Ist Norbert Abeles der Prototyp jenes wohlmeinenden Diktators, den der Titel des Films ankündigt? Er ist es, weil er es nicht ist: Seinen Bediensteten zahlt er den gesetzlichen Mindestlohn, von dem er sagt, dass dieser weder für das Schulgeld noch für das tägliche Brot reicht. Kein Wunder, dass die Angestellten von ihm abhängen, ihm Geld schulden. Aber dafür behandelt er sie "in gewisser Hinsicht" wie Familienmitglieder. Dennoch: Nicht das Wohl des "Volkes", sondern der eigene Vorteil leitet sein Handeln an. Wie der Alltag unter diesen neofeudalen Verhältnissen aussehen könnte, zeigt uns die Kamera: Malawische Männer und Frauen, die den Garten pflegen, den Tisch abräumen, Hühner versorgen, das Haus bewachen und dabei vor allem eines nicht tun: sprechen. (Vrääth Öhner)

Orig. Titel
The Benevolent Dictator
Jahr
2016
Länder
Österreich, Frankreich
Länge
35 min
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch, Französisch
Credits
Regie
Albert Lichtblau, Martin Hasenöhrl, Bernhard Braunstein
Kamera
Martin Hasenöhrl, Bernhard Braunstein
Schnitt
Lucile Chaufour, Martin Hasenöhrl, Bernhard Braunstein
Ton
Bernhard Braunstein
Produktion
Schaller08, Supersonicglide
Interviews
Albert Lichtblau
Mit Unterstützung von
Land Salzburg, Stadt Salzburg, Nationalfonds Rep. Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Zukunftsfonds Republik Österreich
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,85
Tonformat
Dolby 5.1.
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Festivals (Auswahl)
2016
Paris - Cinéma du Réel
Jihlava - East Silver Market
2017
Lissabon - Indielisboa Int. Film and Videofestival
Tel Aviv - DOCAviv Documentary Film Festival
Freistadt - Festival Der Neue Heimatfilm