the shortest day
In the shortest day wandelt sich das von blassrosa ins hell- und dunkelgrau changierende Streifenbild zur Gegenständlichkeit. Die rege pulsierenden Farbschnitte geben bald ein konkretes Bild preis. Erst verworren und unscharf, dann kurzfristig klarer blickt man in vom frisch gefallenen Schnee bedecktes Geäst. Ein Winterbild. Die Wahrnehmung driftet immer wieder ins Unscharfe, das Bild bleibt nicht regungslos, es scheint in einem eigenen Rhythmus zu atmen. Immer wieder entgleitet das Motiv, entzieht sich der letztendlichen Fassbarkeit, kann keine Ruhe finden. Das teils nicht abstrahierte Visuelle begründet sich im emotionalen Thema des Films.
Der Film ist Pendant zu der 2006 entstandenen Arbeit été, in der das blühende Leben in einer melancholischen Regung seinen Höhepunkt und damit den Anfang vom Ende erreicht. Der längste und der kürzeste Tag - einer voll Leben, das sich in jenem Moment ins Vergehen wandelt, der andere mitten in der dunkelsten Zeit - mit der Gewissheit, dass es ab nun bergauf geht: Verlust. Einsamkeit. Überwinden des Schmerzes. Hoffnung. Dem starren winterlichen Geäst wohnt etwas Weiches inne, das sich bereits in der Übersetzung zu Goldts Farbstreifensprache angekündigt hat: Es sind zarte Roséetöne, beige, grau - das Bild ist nicht regungslos und erstarrt, wie es der Winter mit sich bringt. Es birgt doch Leben.
Der Sound, ein rohes musikalisches Bruchstück von Markus Popp aka Oval unterstreicht den emotionalen Zustand: das Aufgewühlt-sein, das Nicht-fassen-können, die innere Leere, die sich versucht, zu füllen. Ungebremst setzt der Beat ein, ist ruhelos, scheint wie die Streifen und das daraus wachsende Motiv aufgewühlt zu zittern. Mit einem letzten Blick auf das kurzfristig scharf wahrnehmbare Bild bricht der Ton ab. Schließlich löst sich das Geäst in der gefundenen Stille auf, und aus dem Schwarz erscheint für ein paar Sekunden das Gesicht Goldts. Ein frühes Selbstportrait mit offenem, verwundbarem Blick. (Margit Emesz)
the shortest day
2017
Österreich, Deutschland
3 min