Zu ebener Erde
Micha steht immer am selben Platz, am Eingang einer Wiener U-Bahnstation. Er wünscht dort den Passanten einen "erfolgreichen Tag", zu Weihnachten auch "Merry Christmas". Seine Höflichkeit hebe ihn hervor, sagt er einmal. Trotzdem würden ihn viele ignorieren. Sichtbarkeit ist auch ein sozialer Gradmesser. Deshalb macht es sich das Filmemachertrio Birgit Bergmann, Steffi Franz und Oliver Werani zum obersten Gebot, einmal länger hinzuschauen. Micha ist in ihrem Dokumentarfilm Zu ebener Erde einer der Obdachlosen, die sie durch ihren Alltag auf der Straße begleitet haben. Schon die Wahl mehrerer Protagonisten zeigt auf, dass das Interesse des Films über Personen hinaus ins Strukturelle gerichtet ist. Wie schlägt man sich durch die Jahreszeiten, wo findet man Halt oder kurzfristig Unterstützung? Das Vagabundieren bestimmt auch die Erzählform des Films. Nicht ziellos, sondern den jeweiligen Bedürfnissen angepasst, durchstreift man als Zuschauer den Stadtraum, dessen Orte sukzessive in anderem Licht erscheinen. Denn die Geschichten dieser an den Rand gedrängten Leben brennen sich in die transitären Räume ein, in die Bahnhöfe, Plätze und Malls.
Durch die wiederholten Begegnungen wird aber auch offensichtlich, dass jeder dieser Protagonisten seine eigene Geschichte und Routine hat. Hedy, die sich in der Natur ein Schlafdomizil gefunden hat, ist die wortgewandte Kämpferin der Runde, die sogar Universitätskurse besucht. Ein slowakisches Pärchen hat sich in einer vertrackten Zweckbeziehung eingerichtet. Herr Birkner, der einmal in der Fremdenlegion war, träumt davon, seine afrikanische Tochter zu befreien. Mit der Zeit fügen sich diese existenziellen Einblicke in Zu ebener Erde zu einem variantenreichen Bild. Die Filmemacher_innen bleiben geduldige Beobachter, nur einzeln sind Fragen zu hören. Dennoch geht der Film nahe (oder weit) genug: bis zu jenen Momenten, in denen der dünne Faden reißt und die Verzweiflung zum Vorschein kommt, die diese Menschen begleitet. (Dominik Kamalzadeh)
Man sieht sie und man sieht man sie nicht: Obdachlose Menschen sind oft unsichtbar für den Rest der Welt. Die Kinodokumentation Zu ebener Erde porträtiert einige von ihnen aus nächster Nähe und macht die Bewältigung des Alltags auf den Straßen Wiens erfahrbar. (Produktionsnotiz)
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Zu ebener Erde
2018
Österreich
91 min
Dokumentarfilm
Deutsch
Englisch