DIESER FILM IST EIN GESCHENK
IN MEMORIAM OSKAR SALOMONOWITZ (20.07.2008 – 27.10.2020)
Daniel Spoerri macht Kunstwerke aus gefundenen Objekten, die ihre eigentliche Funktion verlieren, sobald er sie in seinen Bildern in neue Figurationen überführt. Anja Salomonowitz dreht Filme, die sich in der Regel der Vergegenwärtigung verschütteter Zeiten und Konflikte widmen. Ein Kreuzungspunkt der beiden ist DIESER FILM IST EIN GESCHENK, eine Arbeit, die ihre Werke auf äußerst persönliche Weise verschränkt.
Der Titel des Films suggeriert bereits, dass es mehr um eine Gabe als um eine Darstellung geht: Salomonowitz bedankt sich bei Spoerri mit diesem Porträt. Er hat ihr seinerseits eine seiner Assemblagen geschenkt, in der ein Porzellanherz, das mit ihrem verstorbenen Vater in Verbindung steht, einen privilegierten Platz einnimmt. Die Begegnung mit dem Künstler in seinem Atelier, einem Museum der weggeworfenen Dinge, wird zur Gelegenheit, seine Arbeit mit diesen Objekten, die "Fallenbilder", an seine Biografie zurückzubinden.
Spoerri, geborener Feinstein, stammt ursprünglich aus Rumänien, sein jüdischer Vater wurde verschleppt und ermordet. Die Schweiz bedeutete für den späteren Miterfinder des Nouveau Réalisme einen Neubeginn. Doch die Erinnerungen an die traumatische Vergangenheit bahnen sich eigene Wege: Spoerris künstlerische Praxis wird bei Salomonowitz auch als Versuch ersichtlich, sich mit dem verlorenen Anteil seiner Familiengeschichte zu konfrontieren.
Dennoch blickt der Film eher entschieden nach vorne als zurück. Er verortet Erinnerung in der Gegenwart. Salomonowitz´ Sohn Oskar fungiert als Stand-in und Gegenüber Spoerris. Er wiederholt manchen Gedankengang des Künstlers und fügt ihm allein durch seine andere sprachliche Nuancierung neue semantische Schwingungen hinzu. Der Künstler spricht nicht mehr über sich selbst, seine Leben und sein Tun hallen im Kopf eines anderen wider. Nichts geht verloren, alles setzt sich immer wieder auf überraschende Weise neu zusammen.
(Dominik Kamalzadeh)
Daniel Spoerri ordnet Dinge zu einer seiner Assemblagen an, wie wenn er damit etwas zur Ordnung des Lebens beiträgt. Oskar Salomonowitz, der Sohn der Filmemacherin, bringt uns die Gedanken des Künstlers lebhaft näher, wie wenn sie seine eigenen wären. Die Kochlöffel des verstorbenen Vaters von Anja Salomonowitz werden in den Kreislauf des Lebens dazu geordnet. Menschen sterben, Dinge bleiben. Indem auch Daniel Spoerris Vergangenheit durch das Kind aktualisiert wird, unternimmt der Film beherzt einen neuen dokumentarischen Weg der filmischen, biografischen Darstellung. Spoerris Vater, Isaac Feinstein, wurde im Holocaust ermordet und Spoerris Leben von diesem Verschwinden geprägt. In seinen Werken, meint er, verschwinden die am Flohmarkt gefundenen Dinge, die er sammelt und als Bildkompositionen an die Wand nagelt, nicht mehr. Er hat das Leben für einen Moment eingefangen.
(Produktionsnotiz)
DIESER FILM IST EIN GESCHENK
2019
Österreich
72 min
Dokumentarfilm
Deutsch
Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch