We’ll always have Paris
Als Schauplatz für einen Geisterfilm ist Paris nicht unbedingt erste Wahl, die kulturellen Zeichen der französischen Metropole eignen sich aufgrund ihres Überschuss’ an Romantik einfach nicht als Kulisse für Spukgeschichten. Anders in Ella Raidels vierminütigem Kurzfilm, der im Rahmen ihres umfangreichen Rechercheprojekts Of Haunted Spaces entstand und auf ein anstehendes Langfilmprojekt verweist. In We’ll always have Paris stehen der Eiffelturm, die Champs-Élysées, herrschaftliche Brunnen und getrimmte Hecken als faux French im diesigen Regenwetter von Tianducheng. Die im Vorort der chinesischen Millionenstadt Hangzhou gelegene Wohnsiedlung zählt zu den unzähligen, weitgehend unbehausten Pop-Up-Orten, die eine hochbeschleunigte Immobilienspekulation aus dem Boden gestampft hat. In Raidels Film ist der Eiffelturm das Anti-Gravitationszentrum einer mit nackten Hochhäusern, Parkplatzflächen und Gartenanlagen bestückten phantom zone – eine urbane Behauptung, die ins Leere läuft. Während die Kamera den Gebäudeklon und seine Umgebung aus verschiedenen Perspektiven in den Blick nimmt, wechselt der Film plötzlich sein Register. Das städtebauliche Remake wird von einer Frau betreten, die zunächst nur in der Rückenansicht zu sehen ist. Durch einen Baustellenkorridor betritt sie einen aus Stellwänden improvisierten Konferenzraum, von dem aus sich die Sicht auf die Turmfüße zu einem Bild des Unheimlichen verdichtet. Ähnlich wie das Pastiche in Tianducheng widersetzt sich auch We’ll always have Paris den Logiken der Repräsentation, der Film wird selbst zu einer Simulation eines Architekturfilms, einer Kapitalismuskritik, einer Geistergeschichte. "Uns bleibt immer noch Paris" hieß es in dem Filmklassiker Casablanca. Was bleibt hier? (Esther Buss)
We’ll always have Paris
2020
Österreich
4 min