Sie möchte, dass er geht, sie möchte, dass er bleibt
Ein Mann richtet die Kamera ein, die Welt steht Kopf, er wendet sich ab. Ein Krankenzimmer, nachts, der leicht zitternde Blick der Kamera sucht den Raum ab, bleibt nirgendwo hängen. Mit dem Fuß schlägt der Mann gegen die metallische Wand eines Spitalkastens. Dann sitzt er am Fenster, mit leerem Blick; auf seiner Gitarre spielt er ein Geburtstagsständchen, während das Licht in Spektralfarben durchs Fenster dringt. Einen harten Schnitt später sitzt er im Bett und weint. Und wieder: Cut. Wild bewegtes Meer, das unter grauem Himmel liegt, die Filmemacherin spricht aus dem Off den Titel ein. Ihre Hand tastet, analog zum filmischen Blick, zart über Stoff, Moos und Haut.
Die lyrische Form ist Viki Kühns Territorium, zugleich sucht sie die größtmögliche Unmittelbarkeit. Um die Kommunikationslosigkeit einer durch psychische Erkrankung angeschlagenen Beziehung geht es hier, aber auch um stille Anziehung und wortlose Berührungen, um eine fast quälende Form der Verbundenheit. All dies will ihr Film sinnlich begreifen, aus der Nähe, aus der Distanz. Am Ende singt der Mann ein trauriges Lied. Sie fasst nach seiner Hand, die er ihr immer wieder entzieht. Sie möchte, dass er geht, sie möchte, dass er bleibt ist, wie schon der Titel deutlich macht, ein Liebesfilm.
Viki Kühn besitzt eine Sensitivität, die im Kino äußerst selten ist, auch weil sie sich weigert, ins Tiefsinnige zu wechseln, weil sie ganz schlicht bleibt; eben damit garantiert sie die Komplexität ihrer assoziativen Montagen. Die Bilder, die sie zeigt, sind scheinbar nicht „von Bedeutung“, weil sie nur bedeutend sind, jedes einzelne davon. Hinter allen Dingen und Bewegungen, die man für alltäglich, für unerheblich hält, liegt etwas Entscheidendes, an das man nur kommt, wenn man sich dem scheinbar Nebensächlichen, dem „Unwesentlichen“ überlässt und anvertraut.
(Stefan Grissemann)
Sie möchte, dass er geht, sie möchte, dass er bleibt
2021
Österreich, Deutschland
13 min