Tu Harimau (That's the Tiger)

Hören, Sehen und Riechen sind die Wahrnehmungsformen, die die Erzählung des Kautschuksammlers Edi Purnomo so elementar bestimmen wie die Flora und Fauna den malaiischen Dschungel. Der Tiger könne den Menschen aus zwei Kilometer Entfernung riechen, sein Auftauchen bringe Affen und Vögel zum Verstummen, der bloße Blickkontakt ließe sie von den Bäumen fallen. So Edi, der sich im Perak State Reserved Forest an der Westküste von Malaysia um den Schutz des von illegaler Abholzung bedrohten Waldes kümmert. In seinem Bericht, der im Voiceover zu hören ist, mischen sich eigene Beobachtungen mit sensorischem Wissen und oraler Geschichte. Katharina Copony gibt seinen Worten die Form eines „Gedichts“ mit drei Strophen und einem Refrain: „Tu Harimau“ (Das ist der Tiger). Zu lesen ist es auf schwarzen Texttafeln, die die Super-8-Aufnahmen zäsurieren.  

Hören und Sehen sind die Wahrnehmungsformen, die auch den Film bestimmen. Die Tonspur ist ein sound piece aus Dschungelgeräuschen, die, obgleich im Modus des field recording aufgenommen, die Bilder wie einen Score untermalen. Tu Harimau, 2020 auf einer Reise nach Malaysia auf grobkörnigem Schwarzweißmaterial gedreht, ist das Porträt von Edi. Copony begleitet den Mann bei der Arbeit, zu der im Dschungel ganz essentiell auch das Lauschen der Umgebung zählt. Man sieht ihn beim Erkunden des Waldes, beim Sammeln von Kautschuk, beim Warten und Rauchen. Als er an einem Baumstamm lehnt und ihm die Schatten des fächerartigen Blattwerks Tigerstreifen ins Gesicht zeichnen, mischt sich die Camouflage mit dem Beginn einer Anverwandlung.  

Entstanden ist Coponys Filmpoem in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Shooshie Sulaiman und MAIX, einem 2014 gegründeten Kollektiv, das sich Umweltthemen widmet. 2017 kaufte die Gemeinschaft ein Grundstück im Regenwald, durch das auch ein Tigerpfad führt, Edi wurde mit der Obhut betraut. Tu Harimau nimmt diese reale Geschichte auf und lässt sie mit den Elementen der Landschaft wie des Kinos zusammenwirken. (Esther Buss)