Tako Tsubo
Herr Ham entscheidet sich für eine Herzentfernung, um von seinen komplizierten Gefühlen entlastet zu werden. Der Arzt versichert ihm, dass dies in der heutigen Zeit überhaupt kein Problem mehr darstellt. Nachdenklich veranlagt behält Ham jedoch sein Herz nach der Entfernung noch eine Weile, um dieses vielleicht doch noch besser zu verstehen. Tako Tsubo* ist eine animierte, surrealistische Reflexion über den Umgang mit Gefühlen in einer Leistungsgesellschaft.
*Tako Tsubo, auch Stress-Kardiomyopathie oder Gebrochenes-Herz-Syndrom, ist eine seltene, akut einsetzende und oft schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels, ähnlich der eines Herzinfarkts, und entsteht zumeist durch außergewöhnlichen emotionalen oder physischen Stress.
"Das Herz ist nur noch 'ne Last." Das sagt – im ersten von drei Dialogen – ein Arzt zu Herrn Ham, dem Protagonisten von Tako Tsubo. Dieser malerisch-minimalistische Animationskurzfilm – eine pointillistisch-pointierte Bild-/Text-Symbiose von Eva Pedroza und Fanny Sorgo – titelt nach dem japanischen Namen einer stressbedingten Herzmuskelerkrankung. Dem entsprechend lässt Herr Ham sich das Herz operativ entfernen. Der lapidare Lauf der Dinge fügt sich in die eigenwillig kauzige Welt, die Tako Tsubo entwirft: In einem Wald mit flirrend rauschenden Blättern ist man nackt, redet tonlos; mitunter punktieren nur das Zucken sprechender Münder und das Zwinkern der Augen die lakonische Weirdness.
Alle Bewegung ist Mikrogeste. So auch die kleine Drehung, mit der Ham sein frisch entferntes Herz vor sich hinhält und grübelt: "Subjekt... Objekt..." Die Wendung zwischen Sitz des Ich und Muskel-Ding löst sich im Abjekt auf: in der Sauerei, die das aus dem Loch in seinem Brustkorb fließende Blut verursacht. Zuvor schon hat das Herz in Hams Hand sich als Affekt verselbständigt: in einer beherzten Schimpftirade rätselhafter Reime – verbittert, Mutter, Gewitter, Mitte. Die Poesie lässt fröhlich fließen, wer sein Herz sinnierend vor sich hinhält wie Shakespeares Grübler den Totenkopf und dem entsprechend beinah Ham-let heißt.
Zuletzt aber will die Lunge ihr Recht. Also, die Frau mit zwei Operationslöchern im Brustkorb, die Hams Blut-See im Wald entsteigt und ihm eine ihrer Zigaretten abgibt, auf deren Genuss sie, wie sie erklärt, weniger leicht verzichten konnte als auf ihr Atmungsorgan. Sind Herz und Lunge weg, pafft sich's stressfrei als womögliches Paar im Blut-See-Panorama. So ist es schön. Und untermalt von der Sirenenballade "Sweet Charity" der Berliner Musikerin Mary Ocher: "Will you come on down when I'm on my knees?" Aber ja doch! (Drehli Robnik)
Tako Tsubo
2024
Österreich, Deutschland
6 min
Animation
Deutsch
Englisch, Französisch