Ein Rollator für sich allein
Es ist nur eine kleine Bewegung im Film, aber sie hat unglaubliche metaphorische Wucht. Wenn sich Mario_n Porten in Ein Rollator für sich allein nach vorne beugt, kommt sie aus der Unschärfe heraus, ihr Gesicht ist nun im Licht, das Bild scharf und sie ist klar erkennbar. Und genau das macht auch ihr Film: Etwas aus der Unschärfe und der Halbdunkelheit rauszuholen und darzustellen: ME/CFS, die neuroimmunologische Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom.
Während mediale Berichterstattung zu ME/CFS gerne zu dem alles lähmenden Wort „Schicksal“ greift und auf Betroffenheit und lange Pausen setzt, setzt Mario_n Porten auf überraschende und harte Schnitte und auf entwaffnende und einnehmende Sachlichkeit und die immer unwiderstehliche Struktur einer Liste. Auf ihren Rollator packt sie Gegenstände eines Alltags mit ME/CFS. Schlafbrille, Medikamente, Klistier, Duschhocker – und als Platzhalter für all die bürokratischen Prozesse: Einen Antrag auf Daueraufenthalt, einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension und Pflegegeld.
Und während der Rollator beladen wird und eine immer groteskere Form annimmt, formt sich in uns ein Verstehen des Krankheitsbildes. Der abgedunkelte Raum – in dem ME/CFS-Patient_innen oft die meiste Zeit verbringen – ist hier ein Raum, in dem Mario_n Porten einen metaphorischen Scheinwerfer aufstellt, um mit der Rollator-Skulptur nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch ein exzellentes Erklärmodell zu bauen. Ihre – wie sie selbst sagt – wiedergewonnene Sichtbarkeit setzt sie in Aktivismus um und reißt die Vorhänge der abgedunkelten Räume unseres Halbwissens über ME/CFS auf. (Pia Reiser)
Ein Rollator für sich allein
2025
Österreich
19 min